Samstag, 22. November 2008

Disziplin und Emotionen beim Traden

Ich habe irgendwo gelesen, dass Trading zu 20% aus Trading Know How (Einstieg, Ausstieg, Risk und Moneymanagement) besteht und der Rest Psychologie ist. Gerade als Anfänger hat man mit dieser Aussage so seine Probleme. Denn zuerst sucht man eine Strategie, die einen statistischen Vorteil bringt. Diese Suche kann sehr lange dauern, denn schon hier erfährt man, dass die Strategie zu einem passen muss. Tut sie das nicht, dann wird sie nach kurzer Zeit wieder verworfen, es wird etwas neues probiert.
Ich möchte ganz kurz auf meine Erfahrung mit dem Erlernen des Tradings eingehen:

Phase 1
Lesen im Internet, Zeitschriften, Bücher
Einrichten eines Demo Kontos, Chartsoftware
Grundlagen der technischen Analyse, Fundamentalanalyse, Nachrichteninterpretationen, etc.
Money- und Riskmanagement
Testen von Strategien, willkürlich aus dem Internet, Büchern, etc.

Nach etlichen Monaten mußte ich feststellen, dass ich damit nicht so recht weiterkomme. Also kommt Phase 2
Besuch von Seminaren
Internetschulungen
Coaching

In dieser Zeit habe ich ordentlich Geld verbrannt. Seminare sind teuer, ein Trainer kostet auch eine Menge. Am kostengünstigsten sind die Internetschulungen, die ich daheim vor dem PC abgewickelt habe. Das wirklich teure an dieser Zeit war jedoch die persönliche Einschätzung, dass ich bereit bin für den Markt, dass ich mit richtigem Geld arbeiten kann. Nach Erreichen der persönlichen Schmerzgrenze habe ich davon Abstand genommen, mich wieder auf das Simtrading verlegt. Frustration macht sich breit.

Phase 3
Simtrading
Testen von Black Box Strategien
Erarbeiten eigener Strategien

Spätestens in dieser Phase hat sich bei mir die Erkenntnis durchgesetzt, dass der schnelle Euro mit Trading nicht erworben werden kann. Man muss hart arbeiten, um erfolgreich werden zu können. Wobei die Erfolgsaussichten ungewisser denn je geworden sind. Ich habe mich gefragt, warum habe ich damit überhaupt angefangen, wer bin ich, dass ich glaube, mit Trading meinen Lebensunterhalt bestreiten zu können? Überall im Netz wimmelt es nur so von Gurus, Spezialisten, Ausnahmetalenten, etc.. Wie kann ich mit eigenen Strategien, in Wealthlab erstellt und gestestet, gegen Leute antreten (denn darum geht es beim Trading) die 1000 mal mehr Wissen und Können haben als ich? Leute die Bücher schreiben, einen Doktortitel besitzen, 20 Jahre Programmiererfahrung mitbringen, Leute die auf öffentlichen Seminaren Livetrading vollführen?
Irgendwann realisierte ich, dass am Ende des Tages alle nur mit Wasser kochen. Jeder hat menschliche Schwächen, unterliegt und erliegt manchmal seinen Emotionen. Und stimmt die Aussage mit 20% Know How und 80% Psychologie, dann habe auch ich, mit meinen beschränkten Statistik- und Börsenkenntnissen eine Chance an der Börse erfolgreich sein. Vorausgesetzt ich lerne es mit meinen Emotionen beim Traden umzugehen und verhalte mich diszipliniert.
Ich habe mich dieser Herausforderung gestellt und vieles über meine Verhaltensmuster und meine Emotionen gelernt. Diszipliniertes Verhalten kann ich nur dann an den Tag legen, wenn ich die Emotionen kontrollieren kann. Im Verlauf dieser Zeit bin ich dann in der nächsten Phase angekommen.

Phase 4
Arbeiten mit der eigenen Strategie
Optimieren der Strategie
Testen der Strategie mit richtigem Geld

Ein mühsamer Prozess während dessen ich kontinuierlich mit den Eigenheiten meiner Persönlichkeit konfrontiert werde. Es setzt sich die Erkenntnis durch, dass es eine Strategie für mich nur dann gibt, wenn ich die Strategie an mich anpasse und ich mich an die Strategie anpasse. Denn nur dann bringe ich die notwendige Disziplin auf. Vielleicht bin ich ein Einzelfall, aber ich habe den Verdacht, das jeder, der nicht von Hause aus das Talent zum Trading mitbringt, zu dieser Erkenntnis kommt: Das Arbeiten an den Persönlichkeitsstrukturen, an den Überzeugungen die oftmals aus der Kindheit stammen, ist unvermeidlich. Gier und Angst sind die Sammelbegriffe für etwas, das das Trading negativ beeinflusst. Um diese alles entscheidenden Faktoren zu kontrollieren, muß man an seinen Überzeugungen arbeiten. Wer mehr darüber wissen möchte, dem empfehle ich die Bücher von Mark Douglas. Dort bin ich fündig geworden, aber ich glaube das Erlernen des Tradings ist so individuell wie ein Fingerabdruck.
Simtrading oder das Traden mit einem Demokonto hat seine Berechtigung. Man kann seine Strategien ausprobieren, sich mit der Tradingplattform vertraut machen.
Doch erst wenn man mit richtigem Geld arbeitet kommen die Disziplin und die Emotionen ins Spiel.
Zu dieser Zeit stellte sich die Frage, wie ich meine Emotionen bewußter mache, während des Tradens mehr in den Vordergrund bringe, um Handelsentscheidungen rationaler, wiederholbar und nachvollziehbar zu machen.
In meinem momentanen Entwicklungsstadium führe ich ein Tradingtagebuch. Das tue ich schon lange und ist ein fester Bestandteil meines Trading Alltags. Während des Livetradings schribe ich dort meine subjektiven Empfingungen auf. Beschreibe wie ich mich fühle, über was ich mich freue, ärgere, wütend bin, etc.. Am nächsten Tag wird das tagebuch mit den statistischen Daten des letzten Handelstages ergänzt und ich reflektiere nochmals den Handelstag. Auch hier steht die emotionale Verfassung im Vordergrund. Habe ich mich durch gewisse Ereignisse (z.B. 3 Trades werden hintereinander ausgestoppt und der Kurs dreht exakt an dem Stopppunkt) so erregt, daß ich meinen Plan kurzfristig geändert habe (größeren Stopp gewählt, der natürlich auch ausgelöst wurde). Oder bin ich ängstlich geworden, weil ich mehrmals hintereinander einen Trade erfolgreich abgeschlossen habe und die Gewinne nicht mehr verlieren wollte?
Die Aufzeichnungen und Reflektionen führen dann zu den Vorsätzen für den kommenden Handelstag. Was will ich verbessern, worauf will ich mich fokussieren, etc.
Neben dem Tradingtagebuch, das recht unstrukturiert geführt wird, gibt es die Tradestatistik. Diese gibt Aufschluß über Anzahl der Trades, Gewinn Verlust Ratio, RewardRisk Ratio und Gewinn/Verlust pro Trade gibt (In meinem Tradingplan nachzulesen).
Es gibt aber auch 2 Spalten die sich auf meine emotionale Verfassung beziehen. Was ging vor in mir als ich den Trade begonnen habe. Hatte ich eher das Gefühl, daß der Trade ein höheres Risiko als normal darstellt oder war ich entspannt und war mir sicher, daß der Setup funktionieren wird. Habe ich ein Signal gesehen, das eindeutig war, oder ein marginales Signal, das ich als die 100% Chance auf einen großen Gewinn sah, weil ich gierig war? War ich ängstlich, weil ich aus den vorherigen Trades einen Gewinn eingefahren hatte, oder war ich in der Stimmung 'es ist eh egal', weil ich die letzten Trades alle verloren hatte.
Mit dieser Statistik erstelle ich nun eine Auswertung nach den Kriterien mutig, ängstlich, gierig und entspannt und betrachte mir die Ergebnisse Win/Loss Ratio, Reward Risk Ration, Erwartungswert, Profit.
Auch wenn es dabei sehr subjektiv zu geht, es gibt mir wertvolle Hinweise auf mein Tradingergebnis in Bezug auf meinen Gemütszustand. Viel wertvoller jedoch ist die kontinuierliche Beschäftigung mit meinen Emotionen während des Tradings. Sie werden ins Bewußtsein geholt und damit erhalte ich die Möglichkeit, mir vor der Eröffnung eines Trades meine augenblickliche emotionale Verfassung vor Augen zu führen. Nach wie vor hadere ich manchmal mit mir und meinem undisziplinierten Verhalten. Aber ich stelle auch fest, wie die Emotionen zwar noch vorhanden sind, aber mein Verhalten nicht mehr in dem Maße beeinflussen, wie sie es vor einem Jahr z.B. noch getan haben. Und das nenne ich Fortschritt im Sinne von Disziplin.

Mein Trading ist nach wie vor kontinuierlichen kleinen Veränderungen unterworfen. Ich denke das liegt in der Natur der Sache. Neues Wissen und neue Erfahrungen machen ihren Einfluss auf die Strategie und das Verhalten geltend.

Mich würde interessieren welche Erfahrungen du mit diesem Thema gemacht hast und würde mich auf eine Antwort freuen.

Gruß Fred

4 Kommentare:

Klaus hat gesagt…

ich wäre froh wenn ich nur einmal so gewissenhaft gearbeitet hätte :-(

gruß
Klaus

sicherlich mein größtes manko,
sollte wirklich mal mein wissen zusammen fassen und dann danach handeln und das dokumentieren.

Tyler77 hat gesagt…
Dieser Kommentar wurde vom Autor entfernt.
Tyler77 hat gesagt…

Ich kann die Gedanken in dem Beitrag nur voll und ganz unterstreichen. Was nützt einem z. B. innerhalb von 4 Wochen ein guter ertraderter Gewinn, wenn man dann mit einem einzigen Trade wieder alles riskiert, nur weil man zu gierig ist oder den Stopp nicht einhält.

Ich bin seit 4 Jahren dabei und immer wenn mein Konto einen außergewöhnlich heftigen Drawdown erlebte, gab es nur einen Grund: Mangelnde Disziplin.

Genau wie von Dir beschrieben bin ich an dem Punkt angelangt wo einem kein Seminar, kein Buch oder keine neue Strategie wirklich weiter bringt. Das wichtigste ist dann an sich selbst zu arbeiten.

Anonym hat gesagt…

bin hier nur zufällig reingeschliddert.

hast du schön zusammengefasst.
im großen kann ich alles nur unterschreiben. ich denke jeder erfolgreiche händler erkennt hier stationen seines eigenen weges wieder.

gruß
der spekulant